Severina, Frau des Aurelianus
In der Woche nach den Saturnalien, dem höchsten römischen Fest Mitte Dezember, feierten die Römer die Sigillarien. Diesen Namen hatte die Zeit von den kleinen Tonfiguren (lateinisch sigilla), die zu jenen Tagen als Weihegaben für den Gott Saturn verkauft und verschenkt wurden. Selbst die römischen Herrscher beteiligten sich an dieser Sitte. In einer altrömischen Biographie Kaiser Aurelianus' heißt es: Er (Aurelianus) feierte jedes Jahr die Sigillarien für seine Frau und seine Tochter, genau wie ein Privatmann. Dieser Satz ist in der antiken Literatur die einzige Erwähnung der Gattin Aurelians, wir erfahren noch nicht einmal ihren Namen.
Aus den Münzen und den antiken Inschriften wissen wir, daß dieser Name Ulpia Severina war. Möglicherweise stammte Severina entfernt von Kaiser Traianus ab, dessen voller Name Marcus Ulpius Traianus lautete. Im August 274 gab Aurelianus seiner Gattin den Ehrentitel einer Augusta, darüber hinaus wurde sie als Mater castrorum et senatus et patriae (Mutter der Feldlager, des Senates und des Vaterlandes) bezeichnet. Aurelianus versuchte damit das Militär, die Senatoren und die gewöhnliche Bevölkerung über seine Frau an das Kaiserhaus zu binden. Mehr wissen wir nicht über Severina.
Zur Münzgeschichte: Münzen für Severina wurden erst zu Ende der Regierungszeit Aurelians geprägt. Severina erhielt den Titel einer Augusta, der Voraussetzung für das Bildnisrecht auf einer Münze war, erst im August 274. Ein Jahr später fiel Aurelian einem Attentat zum Opfer. Aus dieser Zeit gibt es Münzen für Severina mit den üblichen Typen, die einer Augusta zustanden. Auf Sesterzen erscheint Juno, die höchste weibliche Himmelsgöttin, bronzene Denare bilden Venus ab und auf Antoninianen wird mit der Inschrift CONCORDIA AVGVSTORVM die Eintracht von Kaiser und Kaiserin beschworen.
Nach der Ermordung Aurelians im Spätherbst 275 dauerte es mehrere Wochen, bis in Rom Tacitus zum neuen Herrscher bestimmt wurde. Doch auch während dieser Zeit mussten Münzen geprägt werden, damit der Staat seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen konnte. Diese Münzen tragen das Portrait von Severina. Die Rückseite zeigt die Göttin Concordia (Eintracht) mit Feldzeichen und die Inschrift CONCORDIAE MILITVM - Auf die Eintracht der Soldaten. Diese Prägungen wurden in fast allen Münzstätten in nicht geringer Zahl gemünzt. In jener schwierigen, herrscherlosen Zeit war es wichtig, daß das Heer nicht revoltierte und den staatlichen Organen Zeit ließ, einen neuen Herrscher einzusetzen. Severina, als noch amtierende Augusta, bewahrte für eine kurze Zeit die Autorität des Herscherhauses. Diese Frau muss zu Lebzeiten eine weitaus wichtigere Rolle gespielt haben, als uns aus den wenigen schriftlichen Quellen bekannt ist. Davon legen die Münzen beredtes Zeugnis ab.