Saecularfeiern des Jahres 17 v. Chr.
Kaiser Augustus ging aus dem Bürgerkrieg am Ende der Republik als Sieger hervor. Es gelang ihm in recht kurzer Zeit, die Ordnung in allen Bereichen des Gemeinwesens wiederherzustellen. In einer großen, propagandawirksamen Inszenierung wollte er das Erreichte durch ein noch nie dagewesenes Schauspiel feiern. Er verkündete für das Jahr 17 v. Chr den Anbruch eines neues Saeculums, eines neuen Zeitalters, das durch Spiele von noch nie gesehener Pracht gefeiert werden sollte.
Augustus ließ sich mit seinem Freund Agrippa zusammen für das Jahr 17 in das "Kollegium der 15 Männer für die heiligen Handlungen" (quindecimviri sacris faciundis) wählen, um so direkten Einfluß auf die Ausgestaltung der Feiern zu nehmen. Herolde in alter Priestertracht wurden ausgeschickt, um zu einer Feier einzuladen, "die niemand noch mit eigenen Augen geschaut und die niemand ein zweites Mal würde schauen können." Besucher aus allen Landschaften Italiens kamen nach Rom, um dem drei Nächte und Tage dauernden Spektakel beizuwohnen. Vom 1. bis zum 3. Juni nahm Augustus die nächtlichen Opferfeiern alleine vor, am Tage opferte er gemeinsam mit Agrippa. Den Parzen Schicksalsgöttinnen opferte Augustus neun Schafe und neun Ziegen, in der zweiten Nacht wurden der Geburtsgöttin Ilithya 27 Opferkuchen dreimal auf dreierlei verschiedene Arten dargeboten und die dritte Nacht gehörte Terra Mater, der Göttin der nährende Erde.
Wichtiger waren die Opfer bei Tage. Am 1. Juni brachten Augustus und Agrippa dem Jupiter Optimus Maximus je ein Rind dar, am nächsten Tag wurden auf dem Kapitol der Juno zwei Kühe geopfert und besonders die Frauen in die Kulthandlungen einbezogen. Ausgelassene Feiern, Festspiele, Theateraufführungen begleiteten diese tiefreligiösen Handlungen, so daß Rom drei Tage nicht zur Ruhe kam. Den Höhepunkt der Saecularfeier bildetete das abschließende Opfer an Apollo und Diana, die neuen Schutzgottheiten des Herrschers. Nachdem Augustus zum sechsten Mal sein monotones Gebet in altertümlichem Latein gesprochen hatte, trat ein Chor von siebenundzwanzig Jünglingen und ebensovielen Jungfrauen auf die Bühne und trug das "carmen saeculare" des Horaz vor. Quintus Horatius Flaccus war ein persönlicher Freund des Augustus und einer der größten Dichter Roms. Seine zu diesem Anlaß geschriebene Ode war nicht nur große Dichtkunst sondern auch politisches Programm, das die Regierung des Herrschers feierte.
Wir sind über die Abläufe der Jahrhundertfeier so gut informiert, weil der Senat beschloß, ein "commentarium" über die Ereignisse auf einer Bronzesäule und ein anderes auf einer Marmorsäule, einem "cippus", einmeißeln zu lassen. Glückliche Umstände bewahrten den Text bis auf den heutigen Tag. Saecularspiele fanden auch unter den Nachfolgern des Augustus statt. Leider sind wir über deren Abläufe nicht so gut unterrichtet, sie werden die Bedeutung der augusteischen Feiern sicherlich nicht erreicht haben. Domitianus versuchte, einen direkten Bezug zu Augustus herzustellen, wie auch die fast "wörtliche" Kopie der Münzdarstellungen zeigt. Allerdings hat der Kaiser sich bei seinen Spielen auch der Lächerlichkeit preisgegeben. Als Herolde durchs Land zogen, und wiederum zu einer Feier einluden, "die niemand noch mit eigenen Augen geschaut und die niemand ein zweites Mal würde schauen können", da hörten dies sicherlich römische Bürger, die die Feiern des Claudius vom Jahre 47 noch in guter Erinnerung hatten.