Besitz eines eigenen Wagens als höchste Auszeichnung
Der wirtschaftliche und politische Erfolg des römischen Reiches beruhte zu einem nicht geringen Teil auf dem außerordentlich gut ausgebauten System seiner Fernstraßen. Dieser Teil der Infrastruktur war so gut, dass der altrömische Standard in einigen Teilen Europas erst zum Ende des 19. Jahrhunderts wieder erreicht wurde. So besaß Griechenland im Jahre 1833 keine einzige Fahrstraße, und von Madrid nach Toledo musste man zu jener Zeit querfeldein fahren. Dagegen fand im 4. Jahrhundert ein Reisender von Bordeaux nach Jerusalem 5.100 km befestigte Straßen vor. Auf diesen fuhr er im vierrädrigen Reisewagen, der für lange Reisen sogar zum Schlafen eingerichtet war.
So gut die Römer den Bau der Fernstraßen bewältigt hatten, ein Problem wuchs ihnen fast wie den heutigen Verkehrsexperten über den Kopf - die Innenstädte waren dem hohen Verkehrsaufkommen nicht gewachsen. Die römischen Mietwohnungen im Stadtzentrum waren klein, boten meist gerade Platz zum Schlafen, so dass sich das Leben meist in den Straßen abspielte. Diese waren gerade einmal 5-6m breit, gesäumt von Mietshäusern von 18-20m Höhe. Im Erdgeschoss befanden sich Läden und Tavernen, die ihre Geschäfte bis auf die Straßen ausdehnten. Das tägliche Chaos in dieser Weltstadt war eigentlich schon ohne Fahrzeuge perfekt. Die Römer lösten dieses Problem in einer Art, die der Traum mancher moderner Verkehrsplaner ist. Sie schufen die "wagenfreie" Innenstadt. Ein von Julius Caesar entworfenes Gesetz bestimmte, dass zwischen Sonnenaufgang und dem Beginn der 10. Stunde (ca. 17.00 Uhr im Sommer) überall in den Städten Reit- und Fahrverbot in zusammenhängendem Wohngebiet galt. Transporte für sakrale und staatliche Bauvorhaben waren allerdings gestattet, ebenso durften Wagen, die nachts in die Stadt hineingefahren waren, tagsüber leer oder mit Abfall beladen, wieder hinausfahren.
Natürlich gab es auch Ausnahmen für hochrangige Priester, Wagen für Prozessionen oder Wagenrennen und natürlich für den Triumphator. Prinzipiell wurde das Gesetz aber sehr streng beachtet. Selbst dem Kaiser war es anfänglich nicht erlaubt, in der Stadt ein Gefährt zu benutzen. Die ersten Sonderregeln wurden interessanterweise weiblichen Mitgliedern des Herrscherhauses gewährt. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet von der ersten Ehrung dieser Art: "Ferner stiftete Caligula jährlich öffentliche religiöse Totenfeiern, dazu noch zu Ehren seiner Mutter Agrippina Zirkusspiele und einen Wagen, auf dem bei der feierlichen Prozession ihr Bild mitgeführt werden sollte." Noch wurde dieses Recht nur einer Toten zugestanden, doch bald darauf folgte der nächste Schritt, wie uns wieder Sueton erzählt: "Dem Triumphwagen des Claudius folgte seine Gattin Messalina in einem Carpentum, während die mit den Triumphalabzeichen versehenen Feldherren zu Fuß gehen mussten."
Das "Carpentum" war ein zweirädriger gedeckter Wagen, meist von Maultieren gezogen. In spätrepublikanischer Zeit war er allein den verheirateten Frauen vorbehalten, bis Caesar ihnen dieses Recht entzog. Dass seine Benutzung in der Stadt ausgewählten Frauen - ob als Toten oder Lebenden - wieder zugestanden wurde, muss eine ganz besondere Ehre gewesen sein. Nur so lässt sich erklären, dass dieses Ereignis häufig auch in der Münzprägung seinen Niederschlag findet. Prägungen mit einem Carpentum finden wir für Agrippina die Ältere (Mutter Caligulas), Domitilla und Julia (Mutter und Schwester von Titus), sowie für die beiden Faustinas (Frau und Tochter des Antoninus Pius). Noch war dies eine Ausnahmeregelung, doch bereits unter Commodus fuhren die weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses ganz regelmäßig mit Wagen auf den Straßen Roms und wenig später wird dies auch der Herrscher selbst getan haben.